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Lehrstuhl für klassische Philologie II - Schwerpunkt Latinistik

Argument und literarische Form in anitker Philosophie

Argument und literarische Form in antiker Philosophie

3. Kongress der Gesellschaft für antike Philosophie e.V. vom 28. September bis 01. Oktober 2010 (gefördert durch die DFG)

In der modernen Universität werden Literatur, Philologie und Philosophie als unterschiedliche Bereiche betrachtet; Philologie und Philosophie sind zumeist in verschiedenen Fakultäten oder Instituten angesiedelt. Damit wird eine im Verlaufe des 19. und 20. Jh. zunehmende Entfremdung zwischen der Erforschung antiker Philosophie und Philologie manifest, die den ursprünglichen Gegebenheiten im antiken Griechenland zumal in vorklassischer Zeit keineswegs gerecht wird und damit den untersuchten Forschungsgegenstand regelrecht zu verfehlen droht.

Denn die Philosophie entwickelt sich in Griechenland und Rom in enger Verbindung mit und oft in einem Spannungsverhältnis zu unterschiedlichen literarischen Genres, wie der Epik und der Lyrik oder dem Drama. Philosophie selbst nutzt manche dieser Genres und deren Möglichkeiten der Darstellung für ihre eigenen Zwecke oder schafft sich eigene Darstellungsformen, wie z.B. den Dialog, den philosophischen Brief oder die Diatribe. Dabei ist oft festzuhalten, dass es sich bei der Wahl der Ausdrucksform entweder um eine innere bzw. historisch bedingte Notwendigkeit handelt – wenn z.B. bei den griechischen Vorsokratikern Prosa noch keine allgemein akzeptierte Form der Kommunikation zu sein scheint –, oder um bewusste Entscheidung für ein Genre (wie Platon für den Dialog, Epikur für kurze Formen wie die Sentenz oder die Epitome), offenbar in der Überzeugung, dass die jeweils gewählte Form ihrem Inhalt adäquat sei, d.h. also, diese Inhalte in besonderer Weise transportieren könne und den Rezipienten die Aufnahme der Argumente zu erleichtern vermöge.

Literarische Formen philosophischer Texte werden zu einem festen Bestandteil ihrer inhaltlichen Botschaften. Die Wahl bestimmter Gattungen als Medium der Präsentation philosophischer Botschaften hatte die Regeln und Darstellungsformen der jeweiligen Gattungen zu akzeptieren oder konnte sie sich zunutze machen. Derartige Grenzüberschreitungen wurden bereits in der Antike reflektiert (Aristoteles) oder kritisiert (Platon). Auch eine an der philosophischen Botschaft interessierte moderne Interpretation hat diese Regeln in Rechnung zu stellen und für die Deutung zu berücksichtigen. Die enge Verzahnung von literarischer Form und philosophischer Argumentationsabsicht ist zwar auch in neueren Darstellungen zur antiken Philosophie in ihrem beiderseitigen hermeneutischen Potential gewürdigt worden, ohne dass freilich letzteres schon als ausgeschöpft gelten könnte.

Es soll ein Anliegen des 3. Kongresses der Gesellschaft für antike Philosophie sein, dazu anzuregen, bei Fragen nach dem jeweiligen philosophischen Argument eines antiken Textes auch dessen literarische Form mit zu bedenken; umgekehrt soll darauf reflektiert werden, inwiefern die dargebotenen philosophischen Inhalte und Argumentationen auf die Textform einwirken.

Zu den Problemen, die wir diskutieren wollen, gehört die Frage, ob und gegebenenfalls wie literarische Eigentümlichkeiten von Texten in einem Zusammenhang zur philosophischen Intention des jeweiligen Textes stehen, oder ob und wie philosophische Aspekte die literarische Aussagekraft und die philosophische Botschaft fördern können.

Das Thema „Argument und literarische Form in antiker Philosophie“ möchte somit einem generellen Anliegen der Gesellschaft für antike Philosophie ein Forum bieten, indem es Philologen und Philosophen Gelegenheit gibt, gemeinsam über Texte verschiedener Epochen zu diskutieren. Dass dabei je nach fachlicher oder ‘schulischer’ Herkunft die Schwerpunkte unterschiedlich gelagert sein können und das ‘Argument’ immer Bezugspunkt ist, ergibt sich aus dem gemeinsamen Frageinteresse und soll die Vielfalt der in unserer Gesellschaft vertretenen ‘Zugriffe’ spiegeln. Interdisziplinär vermittelte Forschungen zur Methodik und Hermeneutik in der Erforschung der antiken Philosophie sind leider letztlich immer noch Mangelware, weshalb gerade diese Art des Herangehens als Desiderat erscheint.

Als Struktur der Tagung erweist es sich als sinnvoll, chronologisch vorzugehen. Denn zu unterschiedlichen Zeiten lassen sich auf unterschiedliche Weise Emanzipationsprozesse (Vorklassik), die Etablierung von ‘klassischen’ Gattungen (Klassik) oder die Bevorzugung bestimmter Darstellungsweisen (z.B. Kommentar in der Kaiserzeit) verfolgen; dies lässt sich organisch mit Fragen verknüpfen, wie derjenigen

  • nach dem Verhältnis von Autor und Werk
  • nach dem Verhältnis von innerer Form und Zweck
  • nach Aussagetyp und logischer Form, d.h. nach den gewählten Ausdrucksmitteln
  • nach äußerem Zweck
  • nach der Wirkung beim Leser (wie z.B. der psychagogischen Funktion von Texten und Argumenten) 


Um ein Beispiel von vielen möglichen zu geben:

  • Es ist sicherlich hochgradig bedeutsam für die Deutung der Argumente im Platons Dialog Phaidon, wenn Sokrates selbst diesen Argumenten eine paramythische (tröstende) Funktion zuschreibt.


Die Einteilung der Vorträge nach Epochen ergibt neben inhaltlichen Deutungen auch die Möglichkeit für diachrone Vergleiche:

  • Wann genau und warum treten bestimmte Funktionen zunehmend in den Vordergrund?
  • Und was sagt dies über das Verständnis der Philosophie und philosophischer Argumente?

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